Kunststoffe von morgen – Wie sollen sie sein?
Kunststoffe sind aus unserem alltäglichen Leben kaum noch wegzudenken. Durch niedrige Preise, einfache Verarbeitung und große Eigenschaftsvielfalt eroberten sie viele Anwendungen. Sie haben aber auch ihre Schattenseiten, denn steigende Kunststoffabfälle belasten die Umwelt zunehmend. Auch ihr Beitrag zur Klimakrise ist eine Kehrseite des Materials. In unserem Online-Workshop wollen wir diskutieren, wie Kunststoffe von morgen sein sollen: rezyklierbar, biobasiert oder abbaubar – und was es mit diesen Eigenschaften auf sich hat.
Nachhaltigkeit und Klimaschutz sind zu strategischen Zielen heutiger Unternehmenspolitik geworden. Anforderungen an neue Kunststoffprodukte steigen: Ihre Rohstoffe sollen aus nachhaltiger Erzeugung stammen und sie müssen langlebig, wiederverwendbar, recycelbar und möglichst reparierbar sein. Welche neuen Ansätze und Lösungen kommen hierzu aus der Kunststoffforschung? Wie schneiden diese Ansätze im Vergleich ab? Im Jahr 2015 war die Kunststoffindustrie nach Daten von Zheng und Suh1 für 1,7 Gigatonnen (Gt) Kohlendioxidäquivalentemissionen2 verantwortlich. Das entspricht etwa 4 Prozent der damaligen globalen Emissionen. Die Autoren prognostizierten bei weiterem Anstieg der Kunststoffverbrauchsmenge um etwa 4 Prozent pro Jahr, dass im Jahr 2050 ca. 1 600 Mio. t/a hergestellt würden und dass deren CO2-Fußabdruck bereits 6,5 Gt betrage.
Aktuelle detailliertere Kalkulationen von Cabernard et al. 3 kamen zu dem Ergebnis, dass die aktuelle Entwicklung sogar noch dramatischer ist. Grund ist die Verschiebung der Kunststoffherstellung in Länder mit hohem Kohlestromanteil. Immerhin 6 Prozent des weltweiten Kohlestroms werden für die Kunststoffherstellung benötigt. Für das Jahr 2015 werden daher bereits 2,0 Gt CO2-Äquivalentemissionen angegeben.
Was kann die Kunststoffindustrie tun, um nach Defossilisierung4 anderer Industriebereiche in Zukunft nicht als einer der größten CO2-Emittenten zu gelten? Zheng und Suh haben dafür vier Optionen betrachtet:
1) Einsatz erneuerbarer Energie bei der Kunststoffherstellung und -verarbeitung
2) Reduktion des Anstiegs beim Materialverbrauch auf 2 Prozent pro Jahr
3) Kompletter Umstieg auf biobasierte Kunststoffe
4) Mechanisches Recycling aller Kunststoffabfälle.
Einen sehr großen Effekt hat die erste Maßnahme. Sie alleine führt aber, selbst bei einer Reduktion des zukünftigen Kunststoffverbrauchs, nicht zum Rückgang der Gesamtemissionen. Nur wenn die Kunststoffindustrie zukünftig deutlich mehr biobasierte Rohstoffe einsetzt und wenn die Recyclingraten so weit wie möglich gesteigert werden, stellen sich Emissionsreduktionen ein. Aus diesem Grund steigen die Anforderungen an neue Kunststoffprodukte rasant: Ihre Rohstoffe sollen aus nachhaltiger Erzeugung stammen und sie müssen langlebig, wiederverwendbar, recycelbar und möglichst reparierbar sein.
Neue Entwicklungen haben in den letzten Jahren die Einsatzmöglichkeiten biobasierter Kunststoffe deutlich erweitert. Die Eigenschaften von Polymilchsäure (PLA) zum Beispiel konnten so optimiert werden, dass das Material in technischen Bauteilen, z. B. Elektro- oder Elektronikgehäusen, verwendet werden kann. Spezielle chemische Modifikationen eröffnen Polymeren wie PLA oder Polyhydroxyalkanoaten (PHAs)5 Einsatzmöglichkeiten im Bereich der Klebstoffe. Die Qualität von Rezyklaten kann durch angepasste Aufbereitungsverfahren und den Einsatz innovativer Additivkombinationen verbessert werden. Dabei wird das chemische Recycling zunehmend als wichtige Alternative zum werkstofflichen Recycling angesehen, da es eine Rückgewinnung von hochwertigen Kunststoffrezyklaten ermöglicht.
Mehr über Biokunststoffe als nachhaltige Alternative und über die Möglichkeiten, Kunststoffe zu recyceln und daraus hochwertige Kunststoffrezyklate herzustellen, berichten Experten und Expertinnen aus der CCPE-Forschung und Industrie im Online-Workshop Fraunhofer CCPE Compact am 24. Februar.
Anmeldungen sind noch bis zum 17. Februar möglich unter: https://www.ccpe.fraunhofer.de/de/aktuelles/veranstaltungen/2022/fraunhofer-ccpe-compact-kunststoffe-von-morgen.html
Ansprechpersonen:
Geschäftsstelle Fraunhofer CCPE c/o Fraunhofer Fraunhofer UMSICHT | Osterfelder Str. 3 | 46047 Oberhausen
Dr. Hartmut Pflaum (Hartmut.Pflaum@umsicht.fraunhofer.de, Tel. +49 208 8598-1171)
Dr. Stephan Kabasci (Stephan.Kabasci@umsicht.fraunhofer.de, Tel. +49 208 8598-1164)
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1) Zheng und Suh, University of California, doi.org/10.1038/s41558-019-0459-z
2) CO₂-Äquivalente (CO₂e) sind eine Maßeinheit zur Vereinheitlichung der Klimawirkung der unterschiedlichen Treibhausgase (Quelle: https://www.myclimate.org)
3) Cabernard et al, ETH Zürich, doi.org/10.1038/s41893-021-00807-2
4) Der Begriff Defossilisierung beschreibt die Umstellung einer Wirtschaftsweise mit dem Ziel, fossile Energieträger durch erneuerbare Alternativen zu ersetzen. (Quelle: https://www.forschungsnetzwerke-energie.de)
5) Polyhydroxyalkanoate (PHA) sind natürlich vorkommende wasserunlösliche und lineare Biopolyester, die von vielen Bakterien als Reservestoffe für Kohlenstoff und Energie gebildet werden. (Quelle: https://de.wikipedia.org)