Fraunhofer CCPE auf der IFAT 2024
Chemisches Recycling: Technologieoffenheit und Investitionssicherheit gefordert
Der VDMA und der Fraunhofer Cluster of Excellence Circular Plastics Economy CCPE präsentieren auf der IFAT die Spotlight Area chemisches Recycling. Vorgestellt werden Technologien für das Recycling von Kunststoffen, die etablierte mechanische Verfahren ergänzen können, darunter lösemittelbasierte Prozesse, Solvolyse, Pyrolyse und Gasifizierung.
Nach den EU-Zielen müssen 60 Prozent der von den Kommunen gesammelten und behandelten Alltagsabfälle bis 2030 wiederverwendet oder recycelt werden. Hinzu kommen die im Februar 2024 beschlossenen strengeren Regeln für die Verbringung von Abfällen in Drittländer: Die Ausfuhr von Kunststoffabfällen in Nicht-OECD-Länder wird untersagt, strengere Bedingungen für die Ausfuhr in OECD-Länder werden erwartet. Damit diese Anforderungen erfüllt werden können, müssen die Recycling-Kapazitäten in Europa ausgebaut werden, insbesondere für die Abfallströme, die aktuell noch in der Verbrennung landen.
»Kreislaufwirtschaft muss ganzheitlich gedacht werden. Begonnen beim Sammeln, Sortieren und Aufbereiten der Abfälle hin zu der Verarbeitung. Ohne den Maschinenbau und seine Lösungen geht das nicht. Ob Zerkleinerer, Reaktoren oder Extruder - die Verfahrenstechnik liefert die Technik für das chemische Recycling. Wir stehen für einen technologieoffenen Ansatz ein«, sagt Richard Clemens, Geschäftsführer des VDMA Fachverbands Verfahrenstechnische Maschinen und Apparate.
Der Fraunhofer Cluster of Excellence Circular Plastics Economy CCPE vereint die Kompetenzen von sechs Instituten der Fraunhofer-Gesellschaft und kooperiert eng mit Partnern aus der Wirtschaft. Gemeinsam werden systemische, technische und soziale Innovationen entwickelt, die den Lebenszyklus von Kunststoffprodukten vom Design bis zum End-of-Life in den Blick nehmen.
Prof. Dr.-Ing. Manfred Renner, Leiter des Clusters sagt: »Für eine zirkuläre Kunststoffwirtschaft brauchen wir eine substanzielle Transformation der gesamten Wertschöpfungskette. Das fängt beim Produktdesign an, Stichwort Eco-Design, geht über die Geschäftsmodelle, die Materialien, die Herstellungsverfahren und die Nutzung des Produkts bis zur Frage, was am Ende des Lebenszyklus geschieht. Wenn andere R-Strategien, also zum Beispiel Remanufacturing, Repair oder Refurbishment etc. nicht mehr greifen, kommt das Recycling ins Spiel. Das Besondere am chemischen Recycling ist, dass damit Kunststoffe, die mechanisch nicht mehr aufzuarbeiten sind, wieder in den Kreislauf zurückgeführt werden können. Die Wertschöpfungskette vom Kunststoffabfall zur recycelten Neuware schließt sich. Wenn dieser Anspruch, also Neuwarequalität, über mechanisches Recycling zu erfüllen ist, sollte dies gemacht werden - falls nicht, sollten wir die Technologien weiterentwickeln und nutzen, die dies ermöglichen.«
Mehrere Technologien, die bei den Fraunhofer CCPE Instituten neu- und weiterentwickelt werden, stehen inzwischen an der Schwelle zur Marktreife, z.B. lösemittelbasierte Verfahren oder thermochemische Ansätze wie die Pyrolyse. Marktbeobachter gehen davon aus, dass die Anzahl an Neuanlagen in den kommenden fünf Jahren stark ansteigen wird, allein in Europa sind aktuell über 40 Anlagenprojekte in 13 Ländern in Planung.
Prof. Dr.-Ing. Matthias Franke, Leiter des Institutsteils Sulzbach-Rosenberg von Fraunhofer UMSICHT, wo im Schwerpunkt thermochemische Recyclingverfahren und Downstream-Prozesse entwickelt werden, lenkt den Blick auf die Produktqualität von rezyklierten Kunststoffen: »Schon heute lässt sich der Bedarf an hochwertigen Kunststoffrezyklaten nicht decken. Deshalb brauchen wir zusätzlich zu den bewährten mechanischen Verfahren neue, innovative Recyclingprozesse. Damit können wir Kunststoffabfälle erschließen, die bisher nur energetisch verwertet werden zum Beispiel Verbundmaterialien, Schredderrückstände oder stark verunreinigte, additivierte Abfälle. Gleichzeitig lässt sich so eine Rezyklatqualität erreichen, die quasi der von Neuware entspricht. Chemische Recyclingtechnologien in Kombination mit den geeigneten Vor- und Nachbehandlungsschritten bieten hier enormes Potenzial - vor allem, wenn es gelingt, für die unterschiedlichen Inputströme jeweils das effektivste Verfahren oder die beste Kombination zu finden. Technisch ist das lösbar. Nun gilt es, die Rahmenbedingungen für Investitionen zu schaffen und in die praktische Umsetzung zu kommen. Angewandte Forschung, die Industrie, insbesondere der Maschinen- und Anlagenbau, und die Politik sind hier gleichermaßen gefragt.«
Diese Ansicht vertritt auch der VDMA: In den kommenden Jahren werde ein investitionsfreundliches Umfeld, abgesichert durch sinnvolle, politische Rahmenbedingungen benötigt.
Was die Wahl der Aufbereitungstechnologie angeht, suchen Technologieanbieter, Maschinen- und Anlagenbauer und die künftigen Betreiber von Recylinganlagen derzeit nach dem Sweetspot aus verfügbarem Inputstrom, Recyclingverfahren inklusive Vor- und Nachbehandlung, der angestrebten Rezyklat-Qualität, Wirtschaftlichkeit und Nachhaltigkeit. Eine pauschale Lösung für die unterschiedlichen Abfallströme wird es nicht geben. Bei Fraunhofer CCPE geht man davon aus, dass sich eher smarte Verfahrens-Kombinationen oder Verfahrens-Kaskaden aus zwei oder mehr Prozessen durchsetzen werden. So ließen sich auch komplexe Abfallmischungen nahezu vollständig behandeln, und gleichzeitig wäre eine optimierte Ausbeute und Qualität an Rezyklaten erzielbar.